Im Gespräch mit Götz Widmann

Einen musikalischen Abend mit Götz Widmann könnte man Getrost als Frischzellenkur für die Seele bezeichnen. Deutschlands „unanständigster Liedermacher“ ist aktuell wieder auf Tour. Im Interview erzählt er von seinem postpandemischen Befinden, seinem letzten Album Tohuwabohu und seinem Umgang mit Zeitmaschinen.

Hallo Götz, wie geht es dir?

Jetzt wieder richtig gut. Wir Bühnenmenschen hatten alle drei furchtbare Jahre. Ich merke gerade, wie viele Steine mir vom Herzen fallen, seit wieder Leute in die Konzerte kommen. 

Wann hast Du zuletzt so richtig einen drauf gemacht?

Letzten Freitag nach meinem Konzert in München im Backstage im Backstage.

Du bist aktuell auf großer SPASS-Tour – was bringt dir, neben der Musik, besondere Freude?

Die Leute. Man merkt so krass wie ausgehungert nach ein bisschen Lebensfreude die sind und da sind sie bei mir natürlich an der richtigen Adresse. Mir hat mein Job schon immer ne Menge Spass gemacht, aber gerade ist es was ganz Besonderes.

Wie hast Du diese dunkle Zeit der Pandemie, ohne Livemusik, überstanden?

Mir ging es wirklich nicht gut. Mir hat einfach alles gefehlt. Muss ich nicht nochmal haben in meinem Leben. Als klar war dass ich erst mal ne Weile arbeitslos bin, bin ich zum Glück auf die Kanaren geflüchtet. Da war wenigstens schönes Wetter, dann konnte man das alles ein bisschen besser aushalten.

Was hat dich bei all den Durchhalteparolen, Lockdowns und Ausgangssperren, dennoch optimistisch gestimmt?

Dass alle Leute in der Branche so zusammengehalten haben, Künstler, Veranstalter und natürlich auch die Leute, die trotzdem gekommen sind. Glaube das hat uns alle echt noch ein gutes Stück näher zusammengebracht.

Wie hat sich die Zeit auf dein kreatives Schaffen ausgewirkt? 

Mit Songs schreiben war nicht so viel, ich brauch dafür gute Laune und die war nicht so gegeben. Aber ich habe mein erstes Kinderhörspiel produziert, das war definitiv ein Highlight, so ein richtiges Lockdownprodukt. Das war extrem zeitintensiv und ich hab das ja auch alles zum ersten Mal gemacht. Glaube, unter normalen Umständen hätte ich mich das nie getraut. So war es ein ganz tolles Projekt das mir irgendwie den Verstand gerettet hat. Es heisst „Die Abenteuer von Fernando und Enrique: Eine Reise um die Welt“, ist eine Abenteuergeschichte von Anke Pahlenberg für Kinder ab 5 Jahren mit ganz viel Musik. Dafür hab ich auch zum ersten Mal in meinem Leben Kinderlieder geschrieben, war gar nicht so leicht so konsequent am Stück jugendfrei zu bleiben, aber ich habs hingekriegt. Wer mal kucken will: www.fernando-und-enrique.de

Was würdest Du Bundeskanzler Scholz bei einer gemeinsamen Kneipentour auf der Unteren in Heidelberg mit auf den Weg geben?

Ich persönlich würde meinen deutschen Pass sofort gegen einen europäischen Pass tauschen. Auch wenn der Weg steinig ist, wir sollten ihn gehen. Gerade der Krieg zeigt mal wieder in aller Deutlichkeit, wie wichtig ein vereintes Europa wäre.

Wenn Du die Nationalhymne im Zuge einer Reform des guten Geschmacks neu auflegen dürftest, wie würde die erste Strophe lauten?

Europa Europa über alles? Nee, Quatsch. Ehrlich gesagt habe ich es mit Nationen nicht so. Fast so schlimm wie Religionen. Ich glaube an das Individuum. 

Welchen Namen würdest Du einem zahmen Raben geben. Und welche Vorteile hat das Leben auf dem Land im Vergleich zum Big City Life?

Abraxas. Ich mag beides gern. Durch meinen Job hänge ich permanent in großen Städten rum und bin viel unter Leuten, deswegen bevorzuge ich mittlerweile in meiner Freizeit den Frieden auf dem Land.

Was würdest Du dagegen auf dem Land besonders vermissen?

Nix, meine Lieblingskneipe in Berlin ist eh zu. Und ich hab eh schon immer das meiste im Internet bestellt.

Was ist der besondere Reiz des Illegalen?

Die Leute denen man das erklären muss, würden es eh nicht verstehen. Die anderen wissen es selber.

Du spielst seit 40 Jahren Gitarre – Was möchtest Du vor deinem 80. Geburtstag gelernt haben?

Filmschnitt, richtig gut Spanisch, wenigstens einigermassen Französisch, Klavier, Beat Production, geile Webseiten selber basteln.

Jammen mit Reinhard Mey oder Touren mit Konstantin Wecker?

Mit Konstantin Wecker kann man prima feiern, das ist auf jeden Fall ne ziemlich lebensfrohe Option, aber Reinhard Mey würde ich natürlich auch gern mal kennenlernen. Ich muss aber zugeben, dass ich ganz andere Vorbilder hatte, als die Liedermachergeneration vor mir.

Wie sähe ein Leben ohne den güldenen Gerstensaft aus?

Ziemlich trocken. Mir würde definitiv etwas fehlen.

Götz, stell dir einmal vor, Du hättest eine Zeitmaschine. Wohin würdest Du reisen?
Und wieso?

Ich würde ins Jahr 1968 reisen und mal kucken wie weit ich da mit meinen Liedern komme (und den ganzen anderen Liedern die ich dann ja schamlos klauen könnte).

Nehmen wir einmal an, es gibt einen Himmel. Du hast Petrus Pforte bereits passiert.
Und jetzt: Überraschung! Du sollst dort ein Ehrenamt übernehmen. Welches wäre es?

Ich würde mich wieder zurück auf die Erde schicken lassen. Als Guru in einem Sexashram. An dem Song arbeite ich zumindest grade.

Worauf könntest Du eher verzichten: Hanf oder Hopfen?

Die Frage musste ich zum Glück in meinem Leben noch nicht ernsthaft beantworten. So weit will ich es auch in meinem Leben niemals kommen lassen.

Wann haben sich deine Sinne zuletzt getäuscht?

Die täuschen sich doch ständig…

Was hat Maria Pellegrinon dir beigebracht?

Dass man auch die fertigsten Typen mit Respekt behandeln sollte, dann sind sie eigentlich ganz lieb.

Welche Anekdote aus dem Gasthaus zur Bergstraße, wirst Du noch deinen Enkeln erzählen?

Leider kann ich mich nicht an so viele Geschichten aus dem Gasthaus an der Bergstrasse erinnern, da war ich ja immer breit.

Wie gehst Du mit Nationalist:innen um?

Ich versuche ihnen aus dem Weg zu gehen.

Und wie stehst Du eigentlich zum Thema Gendern?

Eine zeitgemäße Sprache sollte allen Menschen gerecht werden, das ist für mich eine absolute Selbstverständlichkeit. Aber mit erhobenem Zeigefinger den Leuten etwas aufdrängen zu wollen, das sie als unnatürlich empfinden, kann ganz brutal nach hinten losgehen und das Gegenteil von dem bewirken, was du eigentlich wolltest.
Wenn du etwas verändern möchtest, dann musst du versuchen, möglichst viele Menschen mitzunehmen. Wer Realitäten verändern will, muss in einer funktionierenden Demokratie Mehrheiten verändern – so einfach und so schwer ist das. Die woke Moralkeule scheint mir da nicht immer so zielführend zu sein. Ich glaube, dass Überzeugung eher die Antwort ist als Zwang. Aber ich bin halt auch ein unverbesserlicher weißer alter Hedonist. 

Welchen verstorbenen Menschen hättest Du gerne kennengelernt?

Bon Scott.

Und zum Abschluss: Was wünscht Du dir für 2023?

Mir reicht gerade ein bisschen Normalität komplett zum glücklich sein. Einfach, dass wir alle wieder unseren Job machen dürfen.

Vielen Dank, lieber Götz. Danke für deine Zeit und für deine großartige Kunst! 

Wer ihn live sehen möchte, findet hier die restlichen Tourdaten

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