Im Gespräch mit Oh Brother

Auf keinen passt die Beschreibung „ein Herz und eine Seele“ wohl so gut wie auf dieses Musik-Duo: Die Brüder von Oh Brother stehen mit ihrer ersten EP „Für Frühstück keine Zeit“ in den Startlöchern. Im Interview hören wir, dass die beiden nicht nur musikalisch die Gedanken des Anderen beenden. Sie erzählen unter anderem, wo sich Songs am besten schreiben lassen und wie es ist, das im Team zu tun, aber auch davon, wie es sich anfühlt, während der Corona-Pandemie Musik zu veröffentlichen.

Credits: Sebastian Mowka

Man könnte meinen, während des Lockdowns ist nicht viel los. Nichts steht an. Aber das stimmt nicht ganz. Bei Oh Brother steht sogar etwas richtig Großes an: eure erste EP mit dem Titel „Für Frühstück keine Zeit“ erscheint am 05. März. Wie ist das, unter den aktuellen Bedingungen, eure Arbeit zu veröffentlichen, so ohne große Parties. Wie werdet ihr das feiern?

Lucas:
Das hat uns von Anfang an verfolgt. Wir haben im August unseren ersten Song „Gefährlich“ rausgebracht und das war mitten in der Krise, obwohl es zwischenzeitlich so aussah, als wäre Corona so halb überstanden. Wir haben also von Anfang an keine Chance gehabt, damit auf die Bühne zu gehen und das ist natürlich ein trauriger Start für seine neue Musik. Deshalb können wir es kaum erwarten, wieder rauszugehen, auf die Bühne zu gehen und Konzerte zu spielen, denn das ist noch viel wichtiger als Release-Parties zu feiern. Trotzdem feiern wir im kleinen Kreis unter Einhaltung der Kontaktbestimmungen in unserer WG in Berlin und da kann man dann schon auch mal nen Sekt aufmachen.

Und die große Release-Party wird nachgeholt.

Lucas:
Genau, auf jeden Fall!

Corona zum Trotz habt ihr im letzten Jahr ganz schön losgelegt und unter anderem eure ersten Musikvideos veröffentlicht. Wie hat sich das letzte Jahr auf eure Art, Musik zu machen ausgewirkt? Habt ihr selbst einen gewissen Lockdown-Einfluss bemerkt?

Lucas:
Ich glaube, es ist als Songwriter immer so: Input ist auch gleich Output. Je mehr du erlebst und erfährst und raus gehst, desto mehr hast du auch zu erzählen und zu schreiben, ob unterbewusst oder ganz bewusst. Natürlich gibt es bestimmte Themen oder Probleme, mit denen du dich befasst, die Einfluss auf dein Schreiben nehmen. Darüber hinaus hat uns die Situation noch viel mehr als ohnehin schon die Chance gegeben, uns einzuschließen, entweder zu Hause bei unserem Vater in Würzburg, oder hier in Berlin bei uns im Home Studio und dort an den Texten, an den Songs zu feilen und wirklich alles rauszuholen.

Felix:
Ich glaube, im Vergleich zu sonst, war die Ablenkung geringer. Deswegen haben wir sehr viele Songs geschrieben, nicht nur im Hinblick auf die bevorstehende EP, sondern auch auf die Zeit danach.

Also habt ihr dadurch einen starken Fokus auf die Musik legen können?

Lucas:
Ja, safe. Auf jeden Fall.

Wenn nicht gerade Lockdown herrscht, ist Kreta einer eurer Happy Places und super zum Songs schreiben. Was ist noch einer eurer favourite Spots fürs Songwriting?

Felix:
Boah, das geht eigentlich überall, aber wir arbeiten wirklich viel von zu Hause aus. Das is aber auch das, was die Kreativität auf Dauer ein bisschen trübt, immer in den selben vier Wänden zu sitzen. Grundsätzlich können wir überall schreiben, aber geil ist es immer irgendwo, wo Wasser ist. Wir wohnen hier in Berlin nicht weit von der Spree entfernt und auch der alte Berliner Hafen ist top. Dort gibt es eine kleine Brücke, da kann man sich wenn die Sonne scheint schön mit der Gitarre hinsetzen und hervorragend Musik schreiben.

Lucas:
Wasser ist immer gut.

Felix:
Genau, auf Schiffen, an irgendwelchen Häfen oder Ähnlichem, da sind wir beide immer sehr kreativ. Eigentlich immer, wenn wir unterwegs sind. Selbst wenn man bei einer Zugfahrt aus dem Fenster schaut, kommen leichter Texte, als wenn man zu Hause im Zimmer rumsitzt. Also on the road oder am Wasser.

Wenn ihr nicht selbst singt, läuft bei euch ja trotzdem viel Musik. Mit welchem Künstler/in würdet ihr am liebsten mal zusammen arbeiten? 

Lucas:
Puh schwer, also es gibt natürlich ein paar Idole. In den letzten Jahren ist John Mayer für uns einer der Größten gewesen, Ed Sheeran, Justin Bieber – das sind die internationalen Stars, die uns sicherlich beeinflusst haben. Mit dem Blick auf Deutschland würden wir super gerne mit einer starken Frau ein Feature machen, zum Beispiel mit Juju oder mit LEA. Das kann auch gerne eine Rapperin sein.

Felix:
Clueso!

Dass euch die Songs von LEA, Juju und Co. liegen, habt ihr ja auf jeden Fall schon online bewiesen. Hoffen wir mal, dass wir uns da auf ein Featuring freuen können.

Felix:
Ja, ich denke bei der nächsten EP oder bei den nächsten Songs wird auf jeden Fall irgendwann noch ein Feature kommen, safe. 

Lucas:
Mit wem, wird man sehen.

Cool, das klingt spannend! Ihr wart einige Jahre getrennt unterwegs, um euren Weg für euch auszuloten. Seit mehr als 2 Jahren seid ihr nun aber zurück als Team und begeistert mit Songs voller Tiefe und Gefühl. Wie können wir uns das Songwriting im Duo vorstellen? Schreibt einer die Musik und der andere den Text, oder wie läuft das ab?

Lucas:
Das ist wirklich ein ganz guter Ausgleich. Das ist immer ungefähr 50/50. Also es ist nie so, dass einer einen Song alleine schreibt. Oft hat der Eine eine gewisse Idee, sei das textlich oder auch melodisch und wenn er das dann für gut genug befindet, dann stellt er das dem Anderen vor. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist, dass im gemeinschaftlichen Musizieren was entsteht, das aus dem Affekt kommt. Grundsätzlich könnte man sagen, dass Felix wahrscheinlich mehr über den Text kommt und ich über die Melodien. Und so ist das ein Konglomerat.

Felix:
Im Grunde ist das ein lustiges Ball Vor- und Zurückspielen. Es gibt natürlich mal bessere und mal schlechtere Tage. Manchmal empfindet das unser Umfeld wirklich so als Hin und Her – zack zack zack zack –, weil wir uns auf der brüderlichen Ebene so schnell verstehen, und manchmal wahnsinnig schnell zusammen denken und arbeiten können. Das ist einfach so, weil unsere Köpfe ähnlich funktionieren. Da müssen die Leute, mit denen wir zusammen schreiben, dann erst mal gucken, weil sie das nicht gewohnt sind. Das kann schon manchmal überrumpeln. Und gerade weil wir so eingespielt sind und auch so viel zusammen machen, arbeiten wir gerne mit anderen zusammen, denn es ist immer geil, von außen nochmal was Frisches reinzubekommen in diese Nummer, die wir da seit 20 Jahren jetzt durchziehen.

Also schreibt ihr teilweise gefühlt telepathisch miteinander.

Lucas:
Ja! Es ist schon oft vorgekommen, dass wir gleichzeitig genau das Gleiche sagen oder über das Gleiche nachdenken. Ich glaube, das liegt wirklich einfach daran, dass wir Brüder sind und uns sehr ähneln.

Das hört man auf jeden Fall auch. Erzählen eure Songs dabei immer von Geschichten, die ihr gemeinsam erlebt habt? Im Song „12 Laternen“ habt ihr zum Beispiel eure Gefühle gegenüber eurem Papa aufgeschrieben. Wie sieht das bei euren neuesten Singles „Titanic“ oder „Schon klar“ aus? Wem von euch beiden sprechen diese Lieder aus der Seele?

Lucas:
Nee, das sind nicht immer gemeinschaftliche Geschichten. Bei Songs wie „Gefährlich“ zum Beispiel nicht. „12 Laternen“ ist unser persönlichster Song, für unseren Dad. Da ist die Geschichte ja klar. Oft ist es aber eher so, dass es um Dinge geht, die wir jeweils beide erlebt haben, aber auf unterschiedliche Art und Weisen. Im Endeffekt ist das also schon autobiografisch, handelt aber nicht immer von ein und derselben Geschichte, sondern jeder zieht seine Gefühle aus seinen eigenen Interpretationen heraus und wirft die mit in den Pott und dann ergibt sich das zusammen.

Felix:
Ganz genau. Wir denken bei diesen Songs meistens nicht in denselben Zones, sondern eher an unterschiedliche Stories mit ähnlichen Gefühlslagen und ähnlichen Erlebnissen und da bringt dann jeder ein bisschen sein Ding mit rein und das gibt dann so ein Hauptgefühl, das die Leute dann vielleicht auch nachvollziehen können. Wie bei „Titanic“ zum Beispiel. Da geht es natürlich um eine Beziehung, die kurz davor steht, komplett in die Brüche zu gehen. Und das ist eben eine Sache, die wir unabhängig voneinander so beide schon mal erlebt haben.

Und jeder fühlt das dann auf seine eigene Weise.

Felix:
Genau.

In eurem neuen Song „Halb so wild“ hört man nochmal das, was man sowieso schon immer spürt: Euch gibt’s nur als Team. Gibt es auch Dinge, die ihr nicht miteinander unternehmt, irgendwelche Hobbies zum Beispiel? Oder seid ihr Rund um die Uhr zu zweit anzutreffen?

Felix:
Schon sehr viel.

Lucas:
Wir machen tatsächlich sehr viel zu zweit, dadurch dass wir ja auch seit einer Weile zusammen wohnen und auch unser Studio hier in den gleichen Räumen ist. Das wird wahrscheinlich auch nicht immer so sein. Wir werden irgendwann sicher in andere Wohnungen ziehen und dann separat ein Studio haben und dann wird sich das ändern. Wir machen auch viel Sport zusammen, haben sich überschneidende Freundeskreise. Aber klar, es gibt natürlich auch für jeden private Momente. Schwierig zu sagen. Es gibt wenige Dinge, die der Eine wirklich gerne macht, auf die der Andere überhaupt keinen Bock hat. Also das gibt’s eigentlich so nicht.

Und was macht ihr sonst so in der Freizeit, abgesehen vom Basketball?

Felix:
Auf jeden Fall viel Sport. Gerne auch schon früh am Tag. Also wenn nicht gerade Lockdown ist, ist da ab und zu schon so ein bisschen Rock ’n‘ Roll Lifestyle mit dabei, aber normalerweise arbeiten wir wirklich ziemlich diszipliniert.

Lucas:
Und wir sind Frühaufsteher.

Felix:
Ja, wir stehen recht früh auf und wir machen eigentlich immer Sport bevor wir anfangen Musik zu machen, oder ins Studio gehen oder in Sessions mit anderen Leuten, weil das den Kopf total frei macht, laufen zu gehen, Basketball zu spielen oder irgendwie Fitness zu machen. Wir sind also von Montag bis Freitag ziemlich gute Arbeiterbienchen.

Lucas:
Und wir kochen gerne.

Felix:
Genau, wir kochen zusammen. 

Lucas:
Wahnsinnig viel für Freunde. Mit dem ein oder anderen Glas Rotwein. 

Felix:
Oder ansonsten reisen wir sehr gerne, auch wenn man das jetzt natürlich nicht kann. Wir sind schon viel zusammen gereist, sowohl mit unserem Dad, als auch zu zweit mit dem Rucksack. Zum Beispiel sind wir in Süd-Ost-Asien unterwegs gewesen und haben da viele Trips gemacht. Wird auch mal wieder ganz dringend Zeit für eine Reise. Aber jetzt gerade liegt der Fokus auf jeden Fall erst mal darauf, hier durchzustarten und dann gönnt man sich eine Reise, wenn wieder Zeit dafür ist.

Und was läuft dann dabei für Musik? Läuft eure eigene Musik oder was hört ihr? Könnt ihr vielleicht eine Spotify Playlist empfehlen?

Lucas:
Ich höre die eigene Musik nur gerne, wenn sie gerade frisch entstanden ist, aber danach höre ich sie gar nicht mehr. Man hat die Songs ja dann schon so oft gehört bevor sie rauskommen. Selbst wenn Freunde hier sind und sagen „Mach mal an, mach mal an!“, bin ich eher so „Nee, mach bitte wieder aus.“ (lacht). Mmh, was hören wir für Musik zur Zeit? Es ist ganz gemischt. 

Felix:
Eine Sache können wir empfehlen: Wir haben auf Spotify eine Playlist gemacht, mit deutscher Musik, die wir gerne hören. Also mit unseren deutschen Favourites. Die updaten wir auch immer wieder. Die Liste heißt „Oh, Deutschpop“ also wie „Oh Brother“ nur eben „Oh, Deutschpop“ und man findet sie auf unserem Spotify-Profil. Die kann man gerne abonnieren. Ansonsten ist das, was wir hören echt gut gemischt. Von Jazz bis Rap und Klassik ist eigentlich alles dabei. 

Für alle, die eure Songs noch nicht kennen und neugierig geworden sind: Was erwartet uns auf eurer ersten EP? Und weil das so schließlich zu einfach wäre, bitte beschreibt doch mal in drei Worten.

Lucas:
Okay, ich würde sagen… eine Grundmelancholie…

Felix:
Ja, auf jeden Fall! Es ist melancholisch, es is aber auch ein Aufbruch.
Also Aufbruch ist auf jeden Fall zu hören.

Lucas:
Melancholischer Aufbruch, das ist schon nicht schlecht.

Felix:
Und… äh (lacht) eine positive… – also eigentlich müssen wir die Melancholie anders nennen. Eigentlich ist es eine… nee, ist es auch nicht. Melancholie, Aufbruch und… 

Lucas:
… ein Team.

Felix:
Ja, so eine Verbindung. Das ist jetzt aber nur inhaltlich gemeint. Musikalisch gesehen, zeigen wir glaube ich modern produzierten, international klingenden Deutsch-Pop, weg vom klassischen Deutsch-Pop, den man noch von vor ein paar Jahren kennt. Mit Themen und Texten, die sich nicht an einfachen Klischees bedienen, sondern die versuchen tief, aber gleichzeitig locker unsere Mittzwanziger zu beschreiben.

Super auf den Punkt gebracht, wie ich finde. In eurem neuen Song „Titanic“ sagt ihr es selbst: „Es wird nie mehr wie es war.“. Wenn ich mir eure steile Entwicklung im letzten Jahr so anschaue, glaube ich das ehrlich gesagt auch. Gebt uns zum Schluss doch noch einen Ausblick, ihr habt es ja vorhin schon angeteasert. Was erwartet uns noch in diesem Jahr? Auf was dürfen wir uns freuen? Vielleicht ein Featuring – was noch?

Lucas:
Auf jeden Fall viel Musik. Wir wollen nach der ersten EP nicht lange warten, weitere Musik rauszuhauen. Wir sind fleißig am Schreiben. Und natürlich unser großer Traum, damit auch auf Tour zu gehen. Irgendeine kleine Tour, sobald es wieder möglich ist. Vielleicht sind ja im Sommer  Open-Airs wieder drin. Falls das irgendwie machbar ist, sind wir die ersten, die da auf der Matte stehen.

Felix:
Auf jeden Fall. 

Lucas:
Einfach alles spielen, was geht. Wir haben Bock!

Felix:
Safe, ja. Damit alle unsere Musik in diesem Jahr noch sehen, auf irgendwelchen Bühnen.

Da können wir uns schon mal drauf freuen. Vielleicht folgen ja auch noch ein paar lustige Corona-Covers. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt und wünsche euch alles Gute und heute noch einen coolen Tag. Danke euch ganz herzlich für eure Zeit. 

Lucas:
Danke dir für deine coolen Fragen.

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