„Tu es, Vincent…“

Innerer Monolog
Im Rahmen des KreativKaders Stuttgart

Es ist die Stille. Eine Stille, die ich nicht zu durchbrechen vermag. Oft stelle ich mir die Frage, wohin mich das noch führen wird. Ist es das, wovor sich jeder Mensch ängstigt?

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Die Angst, eine Stille, die mittlerweile fast zur Normalität verkommen ist, nicht mehr durchbrechen zu können – nicht mehr beenden zu wollen. Viel zu lange habe ich geschwiegen. Mir wurde beigebracht wegzuschauen, mein Leid zu ertragen, alles ohne Widerworte über mich ergehen zu lassen. Kein lautstarker Protest. Das Schweigen ist zur Gewohnheit verkommen.

Aber ist es nicht töricht von Resignation zu sprechen? Schicksalsergeben alles hinzunehmen, was die Welt, diese verdorbene Gesellschaft, aus mir gemacht hat?

Heute sehen mich die Menschen anders – damals war ich in ihren Augen nichts weiter als ein seltsamer Eigenbrötler, zu arrogant und abgehoben um ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Und heute? Sie bewundern mich, glorifizieren mich und sehen meine Bilder als Kunst. Löchern mich mit Fragen, analysieren meine Werke und nehmen mich als Vorbild. Es hat sich trotzdem nichts geändert… Die Leute verstehen mich noch immer nicht. Sie können nicht nachvollziehen worum es mir geht – täten sie es, würden sie mich nicht fragen müssen.

Nur du verstehst mich, mein grünes Elixier. Mein Gott, wie das brennt… doch wenigstens verspüre ich für einen kurzen Moment das Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

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Die Bilder sind ein Spiegel meiner Seele, die so schwarz ist, dass ich sie mir ansehnlich und bunt malen muss. Und noch wichtiger: mein Handwerk ist die Stimme, die ich nie hatte. Die aus mir spricht und auf die ich mich verlassen kann, weil es das Einzige ist, was in meinem Inneren noch lebt. Ich wollte nie ein Künstler sein… und gleichzeitig habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als wahrgenommen zu werden.

Würden sie mir meinen Pinsel nehmen, würde ich mich endgültig auflösen, meine traurige Existenz beenden. Denn ich lebe nur für und durch meine Gemälde, die ich so hasse und gleichzeitig liebe, weil sie mein Dasein sichern, obwohl ich diesem schon lange entschwinden wollte.

Das Grausame ist die Ungewissheit, dieses tiefe Gefühl von Leere, das kein Glas Absinth jemals füllen könnte. Jedenfalls heute nicht mehr…die Dämonen haben mich meines Körpers beraubt. Schaue ich aus dem Fenster sehe ich schwarze Raben, die den Himmel verdunkeln. Totenvögel. Mein Ende ist nah. Spinnen in meinem Kopf. Ich spüre meinen Körper nicht mehr. Ich habe mich verloren, bin alleine, einsam. Und dann ist da nichts als Stille.

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Weit ist es nicht mehr bis zur Stunde Null. Nichts ist mehr wichtig. Raben vor meinem Fenster. Der schwarze Hund, der in der Ecke lauert und mich mit seinen toten Augen fixiert. Komm raus Beelzebub, komm herbei und labe dich an der leeren Hülle, die einst mein Selbstbild war. Nein, du bist stark genug – du bist großartig, du bist ein König, ein Herrscher über Raum und Zeit. Gemeinsam können wir alles schaffen. Eine neue Welt, eine Armada wartet auf uns. Wir sind größer und mächtiger als es Gott jemals sein könnte.

Wir beide Vincent, du und ich, wir werden nicht mehr länger schweigen. Viel zu viel Zeit ist vergangen, viel zu lange sind wir durch die Wüste gegangen. Haben getrunken und sind trotzdem verdurstet. Es gibt nur dich und mich. Trink mich, lass uns verschmelzen um dann wie Phönix aus der Asche, Stück für Stück, in einem neuen Körper geboren zu werden um das zu bekommen, was wir verdienen. Trink das grüne Glück, nimm das Messer und mach dich unsterblich… tu es, Vincent… ich warte auf der anderen Seite. Tu es und deine Wünsche werden wahr. Ich kann diese Stille nicht mehr ertragen… ich flehe dich an, Vincent… TU ES!!!

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